Mitteilung der Voyager II
Dunkelheit lag auf den Monitoren, als Daniel das Mission Control Center betrat. Er ließ seinen Blick umher schweifen und sog die leicht stickige Luft ein, die die langen Konsolen-Reihen verströmten. Der Raum wirkte verlassen. Nur wenige Lämpchen blinkten vor sich hin und kündeten von der Geschichte, die hier im Johnson Space Center von der NASA geschrieben wurde. Vor knapp 60 Jahren wurde der Start der ersten bemannten Raumfähre der Erde überwacht. Auf das Mercury folgte Apollo, an dem Daniels Vater mitgewirkt hatte. Nicht immer ging alles glatt und noch heute war der Funkspruch »Houston, wir haben ein Problem« weltweit bekannt. Und doch hatten sie einige Erfolge aufzuweisen gehabt.
Daniel seufzte, ging zur Hauptsteuerung und ließ ein paar wenige Lichter aufflammen. Er setzte sich in die vordere Reihe, über der ein großes silbernes Schild verkündete, dass es sich um die Bodenkontrolle handelte.
Früher hatten sich seine Kollegen um diese Jobs gerissen. Jeder kleine Junge in diesem Land wollte Astronaut werden - und wer etwas weniger Action haben, aber dennoch mitwirken wollte, landete bei der Mission Control. Natürlich gab es auch heute noch ein gutes Bodenpersonal, das gelegentlich die Starts zur ISS überwachte. Aber das war ein eingeschworenes Team, das keiner verließ, es sei denn, er ging in Rente. Die Nachfrage war einfach nicht mehr so groß.
In den 60’er Jahren hatten die Menschen noch Visionen, sinnierte Daniel in Gedanken. Damals griffen sie nach den Sternen, träumten davon, neue Welten zu betreten, ja, vielleicht sogar einer neuen Spezies zu begegnen. Heute kümmerte sich kaum noch jemand um die Raumfahrt. Inzwischen dachte jeder nur noch an sich selbst.
Wer wollte schon der Voyager Lebewohl sagen, einem Steinzeitmonstrum, das am Rande unseres Sonnensystems neue Daten sammelte? Inzwischen werteten Computer die Daten aus, die dann in den Tiefen ganzer Festplatten-Cluster verschwanden. Und bald war sie einfach zu weit weg, um noch weiterhin Daten in Richtung Houston zu senden.
Die Möglichkeit, der Sonde eine Nachricht mitzusenden, wenn sie das Sonnensystem verließ, um sie fremden Lebensformen irgendwo da draußen zu hinterlassen, hatte man vollkommen außer Acht gelassen. Früher hätte man das ganze Land daran beteiligt, sich etwas Sinnvolles auszudenken. Schulklassen hätten Schlange gestanden, um eine ausgewählte Mitteilung auf die Reise durchs Universum zu schicken. Inzwischen wurde das nur noch ausgelost, als sei es eine Last. Er, Daniel Branson, hatte einfach den kürzesten Stick gezogen - und alle hatten erleichtert aufgeatmet.
Ganz ehrlich, er wollte gar nicht seine düsteren Gedanken abschütteln. Daniel schaltete die beiden Monitore an, die er dazu brauchte, die Nachricht zu verfassen und sie an die Voyager II zu übertragen. Er öffnete das Programm und begann zu schreiben:
An jedwede Lebensform, die diese Nachricht imstande ist, zu empfangen und zu verstehen.
Liebe Fremde,
Wir sind die Bewohner eines Planeten, den wir Erde nennen, einem blauen Planeten in einem Sonnensystem mittig des zweiten Spiralarms unseres Universums. Vermutlich haben wir uns aber zum Zeitpunkt der Ankunft dieser Nachricht bei Euch schon selbst ausgerottet.
Solltet Ihr einen Kontakt mit uns wünschen, möchte ich Euch warnen: Bitte versucht uns nicht zu kontaktieren! Wir sind eine sehr kriegerische Rasse. Wir lechzen nach Macht und materiellem Besitz und tun alles dafür - ohne Rücksicht auf Verluste. Wir nehmen das Leben vieler anderer, um unsere Ziele zu verfolgen. Einige von uns nehmen sich sogar das eigene Leben, sofern sie andere mit in den Abgrund reißen. Wir achten weder das Leben unserer eigenen Lebensform, noch unseren eigenen Lebensraum. Wir beuten ihn so lange aus, bis wir uns selbst damit schaden.
Im Falle eines extratrerrestrischen Besuchs würden wir Euch zuerst ohne vorher zu fragen vom Himmel schießen. Wer von Euch dann noch am Leben ist, wird eingesperrt, gefoltert und ohne Rücksicht auf Euer Leben erforscht. Solltet Ihr zu zahlreich sein, würden wir Euch sofort den Krieg erklären, denn wir gehen zu aller erst immer davon aus, dass Ihr so seid wie wir. Doch trauen wir uns noch nicht einmal selbst. Solltet Ihr bei uns erscheinen, würden nur einige wenige von uns mit der größtmöglichsten Macht überhaupt davon wissen. Den Großteil der Bevölkerung würden wir - wie wir glauben, zum eigenem Schutz - nicht darüber informieren.
Nachdem Ihr alle tot seid, würden wir uns Eure Techologien und wissenschaftlichen Werte zu nutze machen, um Euren Familien auf Eurem Heimatplaneten nachzustellen und mit ihnen das Gleiche zu machen wie mit Euch. Denn wir glauben, dass nur wir das Recht darauf haben, am Leben zu sein. Wir halten uns für die einzige intelligente Lebensform im ganzen Universum - und so soll es für immer bleiben.